Zweifellos war es ein gutes Jahr für electrocomics.
Der Donnerstag abend bei der ICOM-Preisverleihung gestaltete sich fast wie eine Familienfeier, ein guter Freund und lieber Kollege nach dem Anderen wurde auf die Bühne gerufen.
Katharina Greve (Dramatik der Dinge) bekommt gerade einen Preis für das Beste Artwork für ihren Comic "Ein Mann geht an die Decke" (die Biblyothek); sie schaut ernst drein, denn so erfreulich es ist, gelobt zu werden, so eigenartig ist es doch, untätig auf der Bühne zu stehen, wenn weihevolle Reden über einen selbst gehalten werden.
Barbara Yelin nimmt den Sonderpreis für eine bemerkenswerte Comicpublikation für das letztjährige Spring-Magazin #6, Thema "Verbrechen" entgegen.
Thomas Gilke (Leroy & Dexter) lauscht der lobenden Erwähnung für seine grandios gestaltete Printausgabe des Comicstrips "Leroy & Dexter", erschienen 2009 bei avant.
Zum Schluß war es an mir, Harald Havas' freundlichen Ausführungen über mein letztes Buch (Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens, avant-verlag) zu folgen. Gewonnen habe ich den Preis für die beste deutsche Comicpublikation 2009.
Später in der Kneipe (von links nach rechts): David B. Marijpol, Katharina Greve verschwindet gerade hinter Thomas Gilkes ausladender Gestik, Kai Pfeiffer
Der Stand des avant-verlags, am Signiertisch: Manuele Fior, rechts hinter ihm: Verleger Johann Ulrich.
Oliver Grajewski (Kunst ist vorbei! wenn Du es willst!) gab sich nicht damit zufrieden, einfach nur Originalzeichnungen an die Wand zu hängen. Seine Ausstellung war ein Beispiel für eine gelungene Comicpräsentation. Dafür gönnen wir ihm eine Fotostrecke!
Den Freitag nachmittag verbrachte ich mit Signierstunden und Interviewterminen. Jeder Gesprächspartner drückte mir die Daumen für die Max & Moritz-Preisverleihung heute abend - hatte ich nicht gerade einen Preis bekommen? - mit dem Zusatz "Den hast du eh in der Tasche".
Ich wurde zunehmend nervöser, bis sich kurz vor der Gala eine milde Trance einstellte.
Ich mag keine Wettkämpfe. Sportliche Wettbewerbe haben ihren Sinn, aber aus künstlerischen Werken "das Beste" auszuwählen erscheint mir ein absurdes, wenn nicht überhebliches Unterfangen. Kai Pfeiffer meint: "Ich mag die Max&Moritz-Gala wegen den ganzen Diskussionen drum herum". Damit trifft er den Kern, künstlerische Wettbewerbe sollen das Gespräch über die Nominierten, Nicht-Nominierten, die Jury und das Prozedere anzuheizen. Daneben ist so ein Wettbewerb reines Entertainment, das viele Verlierer und wenige Gewinner zurückläßt. Ich bin es bisher gewohnt, zu Ersteren zu zählen, deshalb haben mich die schmeichelhaften Gewinnprognosen allerorten eher nervös gemacht. Würde ich mit hängendem Kopf aber tapfer lächelnd aus der Veranstaltung schleichen müssen?
Der neueingeführte Publikumspreis hat mich gerettet. Leider gelang es mir diesmal - im Gegensatz zum Vortag - nicht, meiner Freude auf der Bühne Ausdruck zu verleihen. Dem Pathos einer Galaveranstaltung im ehrwürdigen Stadttheater setzte ich instinktive Nüchternheit entgegen. Die Moderatoren Hella von Sinnen und Dennis Scheck stellten essentielle Fragen: "Bist du überascht?", "Bist du jetzt stolz?", "Das ist aber ein sehr langer Comic, den du da gezeichnet hast." Das Publikum saß seit Stunden in einem überhitzen Saal, ich bemühte mich, die Antworten kurz zu halten, und hinterließ dabei den Eindruck leichter Renitenz. Aber das Publikum hat gelacht, und das ist ja das Wichtigeste bei einer Show. Erst später, endlich glücklich auf dem schwarzen Sofa neben Ralf König, fiel mir ein, was ich vergessen hatte, nämlich das Wichtigste, dem Publikum zu danken!!!
Die Kunsthochschule Berlin-Weissensee kann sich übrigens auch gratulieren, denn dieses Jahr gewannen mit Jens Harder, Nadja Budde und mir gleich drei ehemalige Absolventen einen Max&Moritzpreis. Der Dank dafür gebührt natürlich unserer Zeichenprofessorin Nanne Meyer.
mit den beiden ICOM-Gewinnern vom Vortag, Simon Schwarz ("Drüben" avant-verlag) und Katharina Greve
Thomas Gilke, Leo Leowald, hinten Barbara Yelin, Johan Ulrich
Kai Pfeiffer & David B.
Max & Moritz, die frugale Prämie des M & M-Preises (neben einer hübschen Medaille und einer Urkunde) blieben im Hotelzimmer in Erlangen zurück. Der etwas weniger ehrenvolle ICOM-Preis war mit 500,- dotiert, davon kann ich mir mehrere Brote kaufen.
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Jetzt erst die Gratulation meinerseits! Herzlichen Gluckwunsch!
AntwortenLöschenWas ich Dir ja schon immer mitteilen wollte, aber leider noch keine Gelegenheit dazu fand, der Comic von Dir in einer GAMBUZINE, die grauenerregend realistische Geschichte von den Kindsoldaten in ???
... fand ich hervorragend.
Hat mich sehr bewegt, monatelang!!!
HEUTE IST DER LETZTE TAG VOM REST DEINES LEBENS habe ich straeflicherweise noch immer nicht gelesen, wird aber bald, sehr bald, nachgeholt.
Ich freue mich sehr darauf.
Yours, Wutt.